Noah erfüllt sich einen großen Traum


Der junge Rettigheimer absolvierte ein Praktikum bei Edeka und sammelt als Außenklassenschüler der Leimbachtalschule erste Berufserfahrungen

RNZ vom 30./31.07.2016, von Ute Teubner

Dielheim/Wiesloch. Sein Lieblingsfach? „ITG natürlich“, so die postwendende Antwort. Die „informationstechnische Grundbildung“ findet Noah gut: Klar, der 15-Jährige sitzt, wie alle seine Altersgenossen, gerne am Computer. Und er liebt Sport, besonders natürlich Fußball. Seit einiger Zeit weiß Noah aber auch, dass es Spaß machen kann, Regale ein- und auszuräumen und Kühltruhen zu bestücken – vor allem, wenn so leckere Sachen wie Pommes und Pizza, Süßigkeiten und Cola mit im Spiel sind. Der junge Rettigheimer absolvierte zwei Wochen lang ein Praktikum in der Edeka-Filiale in Mühlhausen. Wie alle Achtklässler der Dielheimer Leimbachtalschule. Der Unterschied: Noah Hellwarth besucht zwar die Gemeinschaftsschule, ist aber eigentlich Schüler der Tom-Mutters-Schule in Wiesloch. Denn Noah hat das Down-Syndrom.

Und Noah hat mächtig viel Energie. Er ist lebenslustig, fröhlich, hat den Schalk im Nacken. Er hat Freunde und er weiß, was er will. Für Heike Hellwarth bedeutet die Einschränkung ihres Sohnes daher „nicht das Ende der Welt“. Zumal die 45-jährige Lehrerin die Gewissheit hat, dass er gut aufgehoben ist an der Leimbachtalschule: Die Tom-Mutters-Schule hat hier als sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) für geistig und körperbehinderte Schüler aktuell zwei von vier sogenannten Außenklassen, eine weitere befindet sich an der Walldorfer und eine an der Wieslocher Schillerschule. Noah fühlt sich sowohl in seiner Außen- als auch in seiner Partnerklasse, der 8a, pudelwohl. Mutter Heike betont: „Er sieht einerseits, was andere Jugendliche können und wird davon mitgezogen. Trotzdem hat er auch seinen eigenen Klassenverband, in dem er sich nicht beweisen muss.“

Die sechs Tom-Mutters-Schüler haben täglich von 8.30 bis 13 Uhr Unterricht in der Dielheimer Gemeinschaftsschule – teils im gemeinsamen Unterricht mit den Werkrealschülern, teils im eigenen Klassenverband. „Das hängt ganz von den Fächern, Themen und Projekten ab“, erklärt Katrin Holk, die die Außenklasse zusammen mit Carmen Volkmann unterrichtet. Dabei liegen die beiden Klassenzimmer von Außen- und Regelklasse direkt nebeneinander und ermöglichen so einen reibungslosen Ablauf. Acht bis zwölf Stunden pro Woche wird inklusiv im Schulterschluss mit Cornelia Fuchs, Klassenlehrerin der 8a, unterrichtet: Sport und Hauswirtschaft, ITG und textiles Werken, Musik sowie offene Angebote wie Fußball oder Töpfern stehen auf der gemeinsamen Agenda, manchmal auch Deutsch und Geschichte, je nach Thema.

Eine weitere, besonders wichtige Erfahrung, die die Außenklassenschüler gemeinsam mit den anderen Werkrealschülern jetzt teilen durften: Besagtes OiB-Praktikum in regionalen Betrieben, das eine erste längere „Orientierung im Beruf“ bieten soll. „Das war wirklich toll für die ganze Klasse“, erklärt Katrin Holk. Und die Tom-Mutters-Lehrerin fügt stolz hinzu: „Alle haben einen dem eigenen Interesse entsprechenden Praktikumsplatz gefunden und es gab nur positive Rückmeldungen.“ Während der 14-jährige Yassin in der Tierklinik am Sandpfad in Frauenweiler war, schaute der gleichaltrige Fikret einem Heidelberger Schuhmacher über die Schulter. Die 15-jährige Pia zog es hingegen ins Walldorfer Hotel Kalipeh, Jessica und Kader (beide 16) wiederum versuchten sich als Haushaltshilfe beziehungsweise in einer Rettigheimer Bauwerkstatt.

„Es ist auch für unsere Kinder wichtig, Einblicke in die reguläre Arbeitswelt zu bekommen“, sagt Heike Hellwarth, deren Wunsch es ist, ihren Sohn in eben diese Arbeitswelt integrieren zu können, „mit den Möglichkeiten, die er hat“. Und Katrin Holk fügt hinzu: „Den Außenklassenschülern bietet das Berufspraktikum die Möglichkeit, breit ausprobieren zu können, wo später ihr Platz in der Gesellschaft sein könnte.“

Von 9 bis um 15 Uhr war Noah denn nun täglich im Edeka auf den Beinen. Am Abend sei er zwar müde gewesen, gibt er zu. Doch seinen zahlreichen Freizeitaktivitäten bei der Feuerwehr sowie im Handball-, Fußball- und Schwimmverein ging der 15-Jährige trotzdem nach. Beim Mühlhausener Edeka sammelte er erste berufliche Erfahrungen und realisierte sich „einen großen Traum“: „Seit einem Jahr war klar, dass er sein Praktikum unbedingt dort machen wollte“, schmunzelt seine Mutter, „das hatte er sich in den Kopf gesetzt.“ Schließlich kenne Noah den Laden wie seine Westentasche: „Wir haben hier selber immer zusammen eingekauft und er weiß ganz genau, wo was steht.“ Außerdem sei Noah „sehr akkurat und korrekt“ – der Job passe einfach zu ihm.

Auch Mete Kanbur, Inhaber des Mühlhausener Edekas in den Rotwiesen, war vollauf zufrieden mit seinem Praktikanten: „Noah war ja schon letztes Jahr kurz bei uns und wusste deshalb, was auf ihn zukommt. Und auch diesmal hat er wieder alle Aufgaben souverän gelöst.“ Nicht nur dem Edeka-Team habe die Woche mit dem Außenklassenschüler „viel Freude bereitet“: Auch die Kundenreaktionen seien sehr positiv ausgefallen, zumal Noah die Leute vor Ort gut kenne. Das Fazit verwundert daher nicht: „Noah darf jederzeit wiederkommen!“ Den Außenklassenschüler wird’s freuen: Anfang der Neunten gibt es noch mal ein Berufspraktikum – und Noah will natürlich zu Edeka.